Somatic-Experiencing

Somatic Experiencing ®

Dr. Peter Levine Begründer von Somatic Experiencing

Dr. Peter Levine
Begründer von Somatic Experiencing

Somatic Experiencing (SE) ist eine Traumatherapie, die Peter Levine, ein amerikanischer Biophysiker und Psychologe in den 70er Jahren entwickelte. Aufbauend auf seinen Beobachtungen, wie Tiere mit stark belastenden Situationen umgehen, entwickelte er diese Form einer körperorientierten Traumatherapie.

Traditionelle Therapieverfahren und Traumatherapie

Diese Leistung und der dahinterstehende Mut sind umso höher einzuschätzen, wenn man bedenkt, welche Überzeugungen in der Psychologie damals vorherrschten. Es sind die gleichen Überzeugungen, die den Verfahren zugrunde liegen, die heute in der gesetzlichen Krankenversicherung akkreditiert sind: die analytische Psychotherapie sowie die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie einerseits, und die Verhaltenstherapie andererseits. Das Credo der beiden erstgenannten Richtungen kann man so ausdrücken: wenn dem Klienten das Problem bewusst geworden ist und er kognitiv verstanden hat, wie es dazu kam bzw. wie es aufrecht erhalten wird, dann hat er die Fähigkeit, sein Verhalten in gewünschter Weise zu verändern. Für die Verhaltenstherapie hingegen ist alles eine Frage der Konditionierung: Wenn sich ungünstige Verhaltensmuster gebildet haben, muss man diese einfach umlernen bzw. neue Verhaltensmuster konditionieren. Im Klartext (bezogen auf Angststörungen, Belastungsreaktionen, Traumata): zuerst ein wenig Beziehungsaufbau und dann in die Exposition!

In den vergangenen Jahren hat sich das Wissen über die neurobiologischen Folgen einer Traumatisierung massiv erweitert. Viele der früheren Annahmen haben sich als falsch herausgestellt. Und man weiß heute, warum die genannten Therapieverfahren bei Traumata quasi wirkungslos sind (was jedoch nicht bedeutet, dass entsprechende Therapieverfahren immer wirkungslos wären; dazu mehr unter ‚Trauma ist nicht gleich Trauma‘). Denn Traumata verursachen vor allem in den limbischen und vegetativen Gehirnstrukturen Schäden. Die kognitiven Gehirnareale, in denen ‚Bewusst-Werden‘ und ‚Verstehen‘ stattfindet, haben darauf praktisch keinen Einfluss. (Der Vollständigkeit halber: es gibt zwar Rückkopplungs-Schleifen von den präfrontalen Cortex zu den Basalganglien und zur Amygdala. Aber traumatisierende Überlastungssituationen schädigen gerade diese Mechanismen massiv.

Traumatherapie: die wesentlichen Herausforderungen

Das zentrale Problem bei Traumata ist nicht das bewusste Lernen oder Konditionieren, sondern die Unfähigkeit, basale Erfahrungen zu vergessen. Traumatische Erlebnisse brennen sich stark in unser prozedurales Gedächtnis ein. Jeder Reiz, der zufällig an das Geschehen rund um die traumatische Erfahrung erinnert, ruft die heftige traumatische Reaktion wieder wach. Wenn man dies ändern will, muss dies auch auf dem Weg des prozeduralen bzw. impliziten Lernen erfolgen. Ein Verhalten, welches kognitiv erworben wurde, steht überhaupt nicht mehr zur Verfügung, wenn eine traumatische Erinnerung angetriggert wurde. Entwicklungsgeschichtlich deutlich ältere Gehirnstrukturen steuern unser Verhalten in einer solchen Situation. Und diese lassen sich von den kognitiven Gehirnarealen dabei nicht ‚reinreden‘. Viele Menschen kennen das aus eigener Erfahrung. Sie reagieren auf bestimmte Situationen beispielsweise mit Aggression, mit Schreien, mit Verzweiflung, mit Schockstarre. Dabei wissen Sie (kognitiv) sehr wohl, dass das in dem betreffenden Moment nicht günstig ist. Aber es passiert einfach (limbisch, autonom).

Trauma ist nicht gleich Trauma

Wenn Sie sich jetzt fragen, warum dann trotzdem ca. ein Drittel der Behandlungen der genannten Richtungen oder auch EMDR erfolgreich sind: Trauma ist nicht gleich Trauma. Es gibt große Unterschiede, wie massiv die Schädigungen durch eine traumatisierende Erfahrung sind. Grundsätzlich gilt, je früher im Leben eine Traumatisierung erfolgt, umso gravierender sind die psychischen Folgen. Auch scheinen von (Mit-)Menschen verursachte Traumatisierung schwerwiegender zu sein als beispielsweise Naturkatastrophen.

Gerhard Roth, ein renommierter Neurobiologe, nennt folgende Einflussfaktoren für den Eintritt einer Post-Traumatischen-Belastungs-Störung (PTBS):

  • Grad der Erwartbarkeit bzw. der Plötzlichkeit eines traumatisierenden Ereignisses;
  • Ausmaß der individuellen Hilflosigkeit gegenüber dem Ereignis;
  • Grad der Vereinzeltheit oder Verbreitung des traumatisierenden Ereignisses;
  • Soziale Akzeptanz bzw. Ablehnung des traumatischen Geschehens (z. B. sexuelle Gewalt, brutale Erziehungsmethoden, Krieg);
  • Ausmaß einer Vor-Traumatisierung;
  • genetische, neuro- oder psychobiologische Vorbelastungen.

Gerhard Roth zufolge muss man davon ausgehen, dass 10 – 20% der Kinder frühe traumatische Erfahrungen machen mussten. Dazu gehören

  • sexueller Missbrauch
  • Misshandlung
  • Vernachlässigung bzw. inkonsistentes Fürsorgeverhalten
  • ungelöst-desorganisierte Bindungserfahrung
  • frühe Gewalterfahrung
  • stark konflikthafte Trennung der Eltern
  • Tod einer Bindungsperson

Er geht davon aus, dass es eher die weniger schweren Traumatisierungen sind, die durch die genannten Verfahren erfolgreich behandelt werden. Als wesentliche Wirkfaktor sieht er dabei allerdings nicht die therapeutischen Methoden, sondern die therapeutische Allianz: Wenn KlientInnen dem Therapeuten vertrauen und die Therapie als Zuwendung erleben, machen sie wiederholt positive Bindungserfahrungen. Dies kann, u. a. über die damit verbundene Oxytocin-Ausschüttung, wesentlich zur Heilung beitragen.

Somatic Experiencing: der andere Fokus

Anders als die genannten Methoden, die stark kognitiv geprägt sind, macht sich Somatic Experiencing die vielfältigen Rückkopplungsschleifen zwischen dem Körper und dem autonomen Nervensystem zunutze. SE nutzt körperliche Symptome und Wahrnehmungen, Emotionen und unwillkürliche Bewegungselemente, um eine traumatische Erfahrung aufzulösen. Damit bewegt sich eine Traumatherapie auf Basis von Somatic Experiencing (SE) im Kernbereich dessen, was mit implizitem Lernen bezeichnet wird.

Die Kernelemente von Somatic Experiencing

Das Trauma wird bei Somatic Experiencing als eine völlig angemessene, allerdings unvollendete Reaktion auf eine überwältigende Situation gesehen. Somatic Experiencing löst diese unvollendete, quasi ‚eingefrorene‘ Reaktion behutsam auf. Somatic Experiencing-Therapeuten achten dabei sehr darauf – auch dies ein Unterschied zu den o. g. Verfahren -, eine erneute Überforderung und damit eine Re-Traumatisierung zu vermeiden. So können die KlientInnen in einer Somatic Experiencing-Therapie wiederholt positive, d. h. nicht überfordernde Erfahrungen mit der damals überwältigenden Situation sammeln. Somatic Experiencing spricht in diesem Zusammenhang von Titrieren. Und dies erfolgt bei Somatic Experiencing in wiederholtem Wechsel zum Ressourcieren, also einem Zustand, in dem man sich kraftvoll fühlt. Die Klientinnen lernen implizit, zwischen diesen Zuständen zu pendeln und erwerben dadurch Selbststeuerungs-Kompetenz.

Ein erfahrener Somatic Experiencing-Therapeut wird seine KlientInnnen auch darin unterstützen, diese Erfahrung nachhaltig zu integrieren. So werden die neuronalen Trauma-Trigger-Netzwerke erfolgreich umstrukturiert. Es bilden sich neue Reaktionsmuster und somit neue neuronale Netzwerke in den Basalganglien und im Hippocampus heraus. Die neuronalen Trauma-Netzwerke verschwinden nicht, die neuen ‚Schaltungen‘ überlagern sie jedoch.

Ein weiterer großer Vorteil von Somatic Experiencing aus therapeutischer Sicht ist es, dass die Arbeit direkt an den körperlichen Symptomen einer traumatischen Erfahrung ansetzen kann. So kann beispielsweise direkt mit den Phänomenen eines Restless Legs Syndrom oder einer Angststörung gearbeitet werden. Irgendwelche spekulative Hypothesen, welche Ereignisse hierfür ursächlich sind, sind hier nicht notwendig.

Hier können Sie an einem Beispiel sehen, wie Peter Levine mit einem Klienten arbeitet, der durch einen Fahrrad-Unfall traumatisiert wurde:

Eine SE-Erweiterung: Das ‚NeuroAffective Relational Model‘ NARM ™

Somatic Experiencing (SE) wurde von Peter Levine entwickelt, um Menschen mit einem Schock-Trauma zu helfen. Ein Schock-Trauma ist dadurch definiert, dass es durch ein einmaliges Ereignis entsteht, wie beispielsweise ein Unfall, eine Operation, ein Sturz, plötzliche Erstickungsgefahr, eine Naturkatastrophe.

Lawrence Heller, der Lehr-Trainer während meiner ersten beiden Somatic Experiencing – Ausbildungsjahre, hat diese Therapie-Methode in Form des NARM auch auf Entwicklungs-Traumata erweitert. Ein Entwicklungs-Trauma ist dadurch gekennzeichnet, dass die überfordernden Umstände über einen längeren Zeitraum anhalten. Dies können beispielsweise Gewalt, Missbrauch oder Vernachlässigung in der Kindheit sein. Die Folgen sind oft tief in die Persönlichkeit eingegraben. Auch bei Entwicklungs-Traumata ist es wichtig, den Schwerpunkt auf implizites Lernen zu legen.

In der Traumatherapie lassen sich die unterschiedlichen Traumata oft nicht eindeutig voneinander abgrenzen. Denn die neuronalen Netzwerke, die die unterschiedlichen traumatischen Erfahrungen speichern, haben die Tendenz, sich untereinander zu vernetzen.

Wenn Sie sich nicht sicher sind, ob diese Traumatherapie-Verfahren in Ihrem Fall eine geeignete Unterstützung wären, melden Sie sich einfach bei mir (Kontaktdaten).